In unserer Serie Interview stellen wir Menschen mit Hörverlust vor, die sich auf aussergewöhnliche Art und Weise für die Themen Hören und Hörverlust engagieren. Wie Jonas Straumann (22 Jahre) – ein echtes Multitalent: Herausgeber von hearZONE (www.hearzone.net), leidenschaftlicher Musiker, Poet und seit seiner Geburt – wie er selbst sagt – hörbehindert. In unserem Gespräch hat er uns erzählt was ihn antreibt und warum er auch auf Widerstände stösst.
Jonas, wie kommt man mit 18 Jahren auf die Idee, ein eigenes Magazin ins Leben zu rufen?
Jonas Straumann: Das weiss ich selbst nicht mehr so genau. Ich hatte einfach das Gefühl, ich muss etwas für Menschen mit Hörbehinderung machen. Im September 2013 gründete ich hearZONE zunächst als ein soziales Netzwerk, vier Monate später erschien das erste PDF-Magazin zum kostenlosen Download. Nach Abschluss meiner Ausbildung war mir dann klar, dass ich mich selbstständig machen und das Online-Magazin gerne in Druck bringen möchte. Knapp ein Jahr später erschien im Mai 2015 die erste Ausgabe.
elches Ziel verfolgst Du mit hearZONE?
JS: Oberste Priorität ist es, über das Thema Hörbehinderung aufzuklären und Interessierte mit breit gefächerten, aktuellen Informationen zu versorgen. Ausserdem möchte ich Hörbehinderte im deutschsprachigen Raum auf einer Plattform vernetzen, um gemeinsam etwas zu bewirken, Barrieren abzubauen und eine Brücke zur hörenden Welt zu schaffen. Auch wenn es dabei manchmal zu kontroversen Diskussionen kommt, glaube ich daran, dass ich in der Zukunft etwas verändern und verbessern kann.
Du sprichst gezielt von «Hörbehinderung»– einem Begriff, den man auch als ausgrenzend empfinden kann. Warum?
JS: Wenn ich sage, ich bin „gehörlos“, „schwerhörig“ oder „hörgeschädigt“ –beziehen sich diese Begriffe alle auf ein körperliches Defizit; ein Problem, das gelöst werden muss, damit ich in die Gesellschaft passe. Beim Begriff „hörbehindert“ ist das genau umgekehrt: Nicht ich bin die Barriere, sondern die hörenden Menschen, wenn sie sich nicht an mich und meine Bedürfnisse anpassen. Zudem ist der Begriff weiter gefasst und bezieht alle Menschen mit ein, die durch ihr Hören Kommunikationsschwierigkeiten erleben. Daher ist „hörbehindert“ für mich ein starker Begriff, den wir in der Öffentlichkeitsarbeit auch einsetzen sollten.
Du bist ja auch leidenschaftlicher Musiker. Hat Dein Hörverlust einen Einfluss darauf?
JS: Ich sehe meinen Hörverlust vielmehr als einen Gewinn. Ich nehme Musik anders wahr als meine Mitmenschen, und das ist ein tolles Gefühl. Der grösste Nachteil sind die Barrieren im Kopf meiner Mitmenschen, die glauben, dass ich aufgrund meiner Hörbehinderung nicht gleichwertig musizieren kann. Das ist aber nicht nur in der hörenden Welt so. Auch unter Hörbehinderten stosse ich hin und wieder auf Ablehnung, wenn ich mich für Musik begeisterte. Das ist schade.
Hast du das Gefühl, wegen Deines Hörverlusts Nachteile zu haben? Und falls ja, wie gehst du damit um?
JS: Das hörende Umfeld legt mir immer wieder Steine in den Weg – deswegen bin ich ja hörbehindert. Es sind nicht nur die fehlenden Untertitel im Fernsehen, sondern auch die grosse Unwissenheit beim Umgang mit Menschen mit Hörbehinderung. Es kommen so viele Baustellen zusammen, dass dies den Rahmen des Interviews sprengen würde. Wie ich damit umgehe? Öffentlichkeitsarbeit leisten und so lange mit hearZONE weitermachen, bis sich die Baustellen abbauen.
Viele Eltern sind erst einmal schockiert, wenn sie erfahren, dass ihr Kind von einem Hörverlust betroffen ist. Was rätst Du diesen Eltern?
JS: Liebe Eltern, die Welt geht nicht unter. Ihr befindet euch erstmal in einer Trauerphase, die ihr bewältigen müsst. Bei der Erstberatung empfehle ich, euch je nach Schwere des Hörverlustes über die Möglichkeit der bilingualen Frühförderung – gesprochene Sprache und Gebärdensprache – zu informieren. Die Gebärdensprache ist eine tolle Kommunikationsform und bietet viele Möglichkeiten. Ich selbst sehe in der bilingualen Frühförderung viele Vorteile und eine positive Entwicklung des Kindes. Am wichtigsten ist aber, dass ihr euch nicht für euer Kind schämt. Kinder spüren und fühlen das. Schenkt ihm stattdessen Aufmerksamkeit, Zuneigung und das Gefühl, dass es nicht weniger wert ist als andere.
Die Hörgeräteindustrie macht rasante Fortschritte. Wenn du einen Wunsch an die Industrie frei hättest – wie würde für dich die perfekte Hörlösung der Zukunft aussehen?
JS: Ich bin generell nicht der Mensch, der „besser hören“ möchte oder das Bedürfnis zum „besseren Hören“ hat. Ich fühle mich ganz zufrieden mit den jetzigen Lösungen. Trotzdem bin ich gespannt, was die Zukunft für uns noch bereithält. Wünschen würde ich mir aber liebend gerne, dass ich mein Hörgerät ohne Einsatz von weiteren Schnittstellen direkt via Bluetooth mit meinem Smartphone verbinden kann. Damit hätte man fantastische Möglichkeiten.