Stäfa, Schweiz, 7. Oktober 2013
Der Hörsinn spielt im Kleinkindalter eine zentrale Rolle: Er bildet die Basis für das Erlernen von Sprache sowie der kommunikativen Fähigkeiten. Wird eine Hörminderung bei Kleinkindern nicht rechtzeitig entdeckt und versorgt, kann sich dies negativ auf die persönliche Entwicklung sowie die späteren schulischen und beruflichen Möglichkeiten auswirken. Daher ist es entscheidend, dass Eltern die Anzeichen für einen möglichen Hörverlust frühzeitig erkennen und schnell darauf reagieren.
Kleinkinder gehen jeden Tag auf Entdeckungsreise: Über ihre fünf Sinne nehmen sie ununterbrochen neue Eindrücke wahr und lernen ständig dazu. Ist ein Sinnesorgan beeinträchtigt, kann dies negative Auswirkungen auf die gesamte Entwicklung haben. Besonders deutlich wird dies beim Hörvermögen: „Erst über mehrmaliges Hören und Nachahmen von Sprache passen Kinder ihre Aussprache an und lernen die Bedeutung der Wörter sowie später den Satzbau“, erläutert Prof. Erwin Löhle, Leiter der Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie am Universitätsklinikum Freiburg. „Verläuft die Entwicklung normal, ist ein Grundinventar an Sprache im Alter von drei bis vier Jahren vorhanden.“
Erfahren Kleinkinder aufgrund einer unversorgten Hörminderung nicht ausreichend oder gar keine Hörreize, lernen sie nur stark verzögert oder überhaupt nicht sprechen. Versäumnisse in dieser Entwicklungsphase sind nur schwer wieder aufzuholen und können sich auf die persönliche Entwicklung sowie die schulischen und später auch die beruflichen Möglichkeiten auswirken. Betroffene Kinder haben oft Schwierigkeiten in der zwischenmenschlichen Kommunikation und fühlen sich sozial isoliert. „Daher ist es so wichtig, dass ein Hörverlust bei Kleinkindern nicht zu lange unbemerkt bleibt. Ziel sollte eine Versorgung mit entsprechenden Hörlösungen ab einem Alter von etwa sechs Monaten sein. Zusammen mit medizinischen und therapeutischen Massnahmen trägt dies zu einer altersgerechten Entwicklung bei“, sagt Prof. Löhle.
Wie bemerken Eltern, dass ihr Kind nicht gut hört?
Reagiert ein Kind nur verzögert oder gar nicht auf akustische Reize – wenn es beispielsweise ausserhalb des Gesichtsfeldes angesprochen wird – oder erschrickt es nicht bei plötzlichen lauten Geräuschen wie dem Knallen einer Tür, könnte das bereits ein Indiz für einen Hörverlust sein. Ein weiterer Hinweis kann sein, wenn das Lautmalen des Kleinkindes weniger vielfältig ist als bei Altersgenossen („monotones Lallen“). Auch wenn Eltern bemerken, dass ihr Kind im Vergleich zu Gleichaltrigen nur sehr langsam sprechen lernt oder gar keine Laute mehr von sich gibt, sollten sie der Sache auf den Grund gehen.
Wie kann einem Kind mit Hörverlust geholfen werden?
Vermuten Eltern bei ihrem Kind eine Hörminderung, sollten sie schnellstmöglich einen Kinder- oder Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Pädaudiologen oder Pädakustiker aufsuchen. Je nach Art und Schweregrad kann ein Hörverlust auf unterschiedliche Art und Weise versorgt werden:
- In vielen Fällen können bei einem diagnostizierten Hörverlust kindgerechte Hörgeräte helfen. Die Wahl des Hörgerätetyps ist dabei von verschiedenen Faktoren abhängig und muss auf das jeweilige Kind abgestimmt werden. Hierbei spielen der Grad der Hörminderung sowie die Bedürfnisse des Kindes eine zentrale Rolle. Die Hörgeräte werden beim Pädakustiker individuell angepasst.
- Zur Unterstützung der Hörgeräteversorgung können auch drahtlose Funksysteme, sog. persönliche FM-Systeme, eingesetzt werden. Diese bestehen aus einem Mikrofon, das von den Eltern oder der Kindergärtnerin getragen wird, und einem Empfänger am Hörgerät des Kindes. Auf diese Weise kann das Kind auch über weitere Distanzen und bei lauten Hintergrundgeräuschen Sprache gut verstehen.
- Wenn bei einem hochgradigen Hörverlust ein Hörgerät nicht mehr ausreicht, kann ein Cochlea-Implantat (kurz: CI) die richtige Wahl sein, sofern die Voraussetzung erfüllt ist, dass der Hörnerv intakt ist. Ab einem Alter von etwa zwölf Monaten kann es in einer spezialisierten Klinik operativ eingesetzt werden.
„Um Kleinkindern eine altersgerechte Sprachentwicklung zu ermöglichen, sollten ausserdem weitere Massnahmen wie etwa eine logopädische oder eine Musiktherapie eingesetzt werden. Dadurch werden Sprech- und Kommunikationsfähigkeit der Kinder zusätzlich gefördert“, sagt Prof. Löhle
Hilfreiche Tipps für Eltern von Kleinkindern mit Hörverlust
- Eltern sollten Kinder mit Hörverlust nach Möglichkeit genau so behandeln wie normal hörende Kinder.
- Eltern sollten möglichst deutlich reden, beim Sprechen Blickkontakt mit ihrem Kind halten und ihm beibringen, seine Ansprechpartner stets anzusehen. Falls nicht alles verstanden wurde, sollten sie ihre Aussage in anderen Worten wiederholen.
- Bereits Kleinkinder sollten lernen, nachzufragen, sofern sie etwas nicht richtig verstanden haben.
- Eltern sollten darauf achten, dass es möglichst wenige Hintergrundgeräusche gibt, wenn sie mit ihrem Kind sprechen.
- Wenn Eltern (Bilder-) Bücher mit Kleinkindern lesen, sollten sie neben dem vorgegebenen Text das entsprechende Bild auch mit Klängen beleben (z.B. Tierstimmen nachahmen). So können Kinder die Geräusche nachahmen und lernen schon früh, sich am gemeinsamen Lesen verbal zu beteiligen.