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Tipps für Jugendliche mit Hörverlust

20. September 2017
Gastautoren: Stephanie Olson und Lynne Canales, Children's Hospital Colorado, Board Members Hands & Voices Colorado

Die Jugend ist eine Zeit voller Entdeckungen und Herausforderungen – im sozialen Umfeld und mit sich selbst. Das gilt insbesondere für Teenager mit Hörverlust, die sich neben den Herausforderungen des Erwachsenwerdens auch mit ihrer Einschränkung auseinandersetzen müssen. In diesem Blog-Beitrag teilen wir zehn Tipps, um Jugendliche dabei zu unterstützen, sich zu entfalten und Barrieren zu überwinden.

Jugendliche wenden viel Energie auf, um sich zu starken Individuen zu entwickeln, die aber dennoch Teil einer Gruppe sein wollen. Für viele ist die Pubertät auch wichtig, um zu lernen, mit ihrem Hörverlust umzugehen. Denn dieser soll nicht zum zentralen Identitätsmerkmal werden. Wer möchte schon allein über sein Audiogramm oder sein Hörgerät definiert werden? Viele Jugendliche stört ihr eingeschränktes Hörvermögen wenig. Wichtiger ist ihnen nicht als «behindert» oder «beeinträchtigt» wahrgenommen zu werden.
«Die Hörbehinderung sollte nicht Oberhand gewinnen, man soll lernen damit umzugehen» – bekräftigt der Therapeut Jonah Berger anlässlich der Journey Through Adolescence Conference, die im März 2017 im Children’s Hospital Colorado, USA, stattfand und von der Colorado Hearing Foundation gesponsert wurde. Jugendliche sollen Verantwortung übernehmen und sich so akzeptieren, wie sie sind. Die folgenden Tipps sollen helfen, das Selbstvertrauen und die Eigenverantwortung von Teenagern mit Hörverlust zu stärken:

1. Eigenverantwortung fördern

Ermutigen Sie Jugendliche dazu, während ihren Audiologie- und Therapieterminen aktiv zu werden. Jugendliche sollen Experten für ihr eigenes Hören werden und ihren Betreuungspersonen sagen, was sie im Zusammenhang mit ihrer Hörtechnologie und ihrem Hörverlust ärgert und frustriert. Sie sollen beschreiben, was ihnen dabei hilft, besser zu Hören und wie sie kommunizieren möchten. Wenn Teenager lernen, selbstbestimmt zu handeln, werden sie leichter zu unabhängigen jungen Erwachsenen heranreifen.

2. Zum Ausprobieren anregen

Selbstbestimmung beginnt mit dem Verständnis für das eigene Hörvermögen, für die eigene Hörtechnologie und dafür, was bei einem selbst gut funktioniert. Die Pubertät ist für Teenager mit Hörverlust die Zeit, um neue Technologien, Strategien und Kommunikationswege auszuprobieren, um Zugang zu denselben Informationen zu haben wie Gleichalterige. Motivieren Sie Teenager dazu, all ihre Möglichkeiten zu erkunden. Denn manchmal ist die grösste Hürde etwas Neues auszuprobieren.

3. Selbständigkeit fördern

Beginnen Sie frühzeitig damit, die Eigenständigkeit von Teenagern mit Hörverlust aufzubauen. Die Zielsetzung hierfür sollte identisch mit der für die Geschwister sein. Beispielsweise sollten Sie von einem Teenager erwarten, morgens selbstständig aufzustehen und sich für die Schule fertig zu machen. Zeigen Sie Jugendlichen wie sie das mit Hilfe von Weckern mit Vibrationsalarm und anderen Technologien selbständig meistern können. 

4. Über Sicherheit im Internet sprechen

Um mit Freunden in Kontakt zu bleiben, können Teenager Instant Messaging, Textnachrichten, soziale Netzwerke, Apps für Echtzeit-Untertitelung und Video-Relay-Dienste nutzen. Sicherheit im Internet und Kontrolle sind wichtig und müssen allen Kindern und Jugendlichen unabhängig vom Hörvermögen nahegelegt werden. Informationen zur Internetsicherheit finden Sie unter: www.handsandvoices.org/resources/OUR/2014/V17-3_cybersafety.htm

5. Kulturelles Bewusstsein stärken

Für Teenager mit Hörverlust ist wichtig, über die aktuelle Jugendkultur informiert zu sein und daran teilzuhaben. Im Jugendalter findet über Musik, Kino und Fernsehen ein rascher, ganz beiläufiger Spracherwerb statt. Wecken Sie das Interesse der Teens für YouTube, Videos und Technologien, die auf Gebärdendolmetschen von Musik und Live-Konzerten spezialisiert sind. Das hilft ihnen, sich als Teil einer Gruppe zu fühlen und eine Identität aufzubauen, die von ihrer Hörminderung losgelöst ist.

6. Zwischenmenschliche Kommunikation üben

Das Heranwachsen und die Entwicklung von Freundschaften erfordern kommunikative Fähigkeiten. Jugendlichen brauchen solche, um Kommunikationsbarrieren zu überbrücken, wenn sie beispielsweise um Klarstellung und Wiederholung einer Aussage bitten müssen. Sie müssen lernen, dafür zu sorgen, dass andere sie verstehen - sei es über die gesprochene Sprache oder die Gebärdensprache. Bieten Sie ihnen verschiedene Möglichkeiten an, mit Freunden und Familienmitgliedern in Kontakt zu treten. Das stärkt ihr Selbstvertrauen und ihre Fähigkeit, Kommunikationsbarrieren zu überwinden.

7. Für sich selber einstehen lernen

Manchmal tut man lieber so, als habe man etwas verstanden, anstatt zum dritten, vierten oder sogar fünften Mal nachzufragen. Ermutigen Sie die Jugendlichen dazu, ehrlich zu sich selbst und gegenüber anderen Menschen zu sein. Die Einstellung «Ach, ist nicht so wichtig» bringt niemanden weiter. Auch gut hörende Menschen verstehen nicht alles auf Anhieb und bitten ganz selbstverständlich darum, eine Aussage zu wiederholen. Machen Sie Teenagern klar, dass sie eine Pause einlegen können, wenn Zuhören anstrengend wird, und dass sie anderen mitteilen sollen, wenn sie gerade Verständigungsschwierigkeiten haben.

8. Eine Identität entwickeln

Wie alle Heranwachsenden setzen sich Teenager mit Hörverlust kritisch mit ihrem Selbstwert und der eigenen Identität auseinander. Ob sich Teenager mit Hörverlust eher mit Hörenden oder nicht hörenden Menschen wohler fühlen, ist von der Tagesform und der sozialen Situation abhängig. Machen Sie ihnen bewusst, dass sie sich nicht für eine Gruppe entscheiden und sich nicht über diese identifizieren müssen. Die Entwicklung der eigenen Identität ist ein fliessender Prozess, der das ganze Leben dauert.

9. Vorbilder finden

Vorbilder geben Hoffnung. Darum sollen Teenager, Eltern und Hörgeräteakustiker Vorbilder, also Menschen mit Hörverlust, die ihr Leben trotz der Einschränkung vorbildlich meistern, finden. Sie werden viele solche Vorbilder finden. Denken Sie aber daran, dass jeder seine eigenen Erfahrungen machen und seinen individuellen Lebensweg gehen muss. Auf der folgenden Seite finden Sie Erfahrungsberichte von Teenagern: www.handsandvoices.org/resources/dhh_adults.html

10. Selbstwertgefühl aufbauen

Hänseleien und Mobbing können jeden Menschen treffen, ganz unabhängig davon, wie es um sein Hörvermögen steht. Unterstützen Sie Teenager beim Erlernen von Fähigkeiten, mit deren Hilfe sie solche Situationen meistern können. Die internationale Organisation https://www.kidpower.org/ bietet Schulungen an, die für mehr Sicherheit und Selbstvertrauen sorgen sollen. Heranwachsende mit Hörverlust können ihrem Umfeld vermitteln, wie sie behandelt werden möchten, wie ihr konkretes Bedürfnis nach Respekt aussieht und was sie selbst zu bieten haben. Nur wer sich selbst respektiert, wird diesen Respekt auch von anderen erfahren.