Haiti: Vertrauen gewinnen
18. Juli 2019
Mein Name ist Nadja Laible. Ich bin Hörakustik-Meisterin und arbeite seit 2015 bei Phonak Deutschland in der Audiologie. Von Beginn meiner Anstellung an war es mein Wunsch, als Volunteer für Hear the World einen Einsatz zu leisten. Im Mai 2018 war es endlich soweit und ich hatte die Möglichkeit, das Projekt #HearHaiti zu unterstützen. Ich war überwältigt!
Nach der Zusage habe ich mich sofort mit den Vorbereitungen befasst: die vielen Impfungen und der tägliche Austausch mit den anderen Volunteers aus Kanada und den USA.
Akribische Vorbereitung und eine Spendenaktion für neue Matratzen
Die Hear the World Foundation arbeitet jeweils mit lokalen Partnern zusammen. In Haiti ist das die Haiti Deaf Academy. Im Vorfeld unseres Besuches baten sie uns, sie bei einer Spendensammelaktion zu unterstützen: Die Kinder in diesem Heim für Kinder mit Hörverlust benötigten dringend neue Matratzen. Es sollten jedoch keine günstigen, importierten Matratzen sein, sondern in Haiti hergestellte Matratzen, um die haitianische Wirtschaft zu unterstützen.Also habe ich bei Sonova Deutschland, in meinem direkten Freundeskreis und sogar bei meiner Verwandtschaft in Australien um Unterstützung gebeten.
Deshalb freute es mich besonders, als kurz vor meiner Abreise die Nachricht kam, dass wir es tatsächlich geschafft hatten. Die gesammelten Spenden reichten für eine Matratze für jedes Kind.
Die Reise geht los!
Am 10. Mai 2018 machte ich mich also mit 15 Moskitonetzen, einer großen Portion Freude und Aufregung auf den Weg an den Frankfurter Flughafen. Von dort aus flog ich nach Miami und traf am Flughafen das erste Mal auf die Kollegen, mit denen ich die nächsten acht Tage in einem fremden Land und einer anderen Kultur verbringen würde. Von Miami aus flogen wir alle gemeinsam zwei Stunden weiter nach Port-au-Prince, der Hauptstadt von Haiti.Haiti ist ein Inselstaat in der Karibik, deren Ostteil die Dominikanische Republik einnimmt. Haiti ist ein sehr bergiges Land, das durch viele Naturkatastrophen, eine sehr schwache Wirtschaft, instabile Politik und zahlreiche Unruhen immer wieder geschädigt wurde. Vor allem 2010 beim verheerendsten Erdbeben des 21. Jahrhunderts, mit 316 000 Toten und 310 000 Verletzen. Haiti ist eines der vier ärmsten Ländern der Welt.
Die ersten Tage verbrachten wir in Port-au-Prince. Wo wir im New Life for Children Zimmer zu sechst teilten. Die Unterkunft wurde rund um die Uhr von Sicherheitskräften bewacht. In diesen ersten Tagen besuchte uns auch eine Gruppe von Kinderkrankenschwester, welche wir in der Durchführung von Hörscreenings und Hörtest bei Baby und Kleinkindern schulten. Das war ein toller Einstieg in die Woche. Es war schön zu sehen, dass ich mein Wissen so direkt weitergeben konnte.
Auf nach Hinche
Anschließend bereiteten wir unsere Reise nach Hinche vor, eine Stadt im Landesinneren, in der die Organisation Kinderhilfe zu Hause ist, bei welcher wir das Gehör von Kinder getestet haben. Eine fünfstündige Autofahrt lag vor uns. Es war Regensaison und die fünf Flüsse, die wir durchqueren mussten (ohne Brücken), hatten einen hohen Wasserstand. Diese Reise war sehr abenteuerlich und beim einen oder anderen war auch etwas Angst dabei.In Hinche angekommen, wurden wir von Lehrern, Eltern und Freiwilligen mit offenen Armen empfangen. Wir bauten unsere Hörteststationen in kleinen Bungalows mit Bastdächern auf.
Unzählige Familien reihten sich in der Schlange vor unserer Basthütte ein um ihre Kinder auf Hörverlust untersuchen zu lassen. Die Familien warteten geduldig mehrere Stunden in der Sonne. Eine Familie ist sogar vier Stunden zu Fuß durch den Dschungel gelaufen, um von uns gesehen zu werden.
Vertrauen gewinnen als grösste Herausforderung
Wir begannen damit, den Kindern in die Ohren zu schauen und diese zu reinigen. Teilweise waren die Ohren entzündet, manchmal fanden wir aber auch Fremdkörper darin wie beispielsweise kleine Haarspangen darin. Die größte Herausforderung war, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen. Denn immerhin sprechen wir eine andere Sprache und haben eine andere Hautfarbe. Aber mit der nötigen Geduld hat es immer geklappt.Zwei Tage lang haben wir mehr als zehn Stunden bei tropischer Hitze so viele Kinder gesehen und versorgt wie nur möglich. Es war anstrengend und jeder kam an seine Grenzen. Aber es war das Schönste, was ich je getan habe. Und das alles zwischen Hühnern und neonfarbenen Geckos sowie der atemberaubenden Schönheit der Natur.
Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn einem ein Kind nach langer Zeit endlich vertraut und am Schluss noch in den Arm nimmt. Ein Kind, das außer seiner Familie und dem Leben nichts besitzt, aber glücklich ist und Dich anstrahlt.
Ein krönender Abschluss
Den letzten Tag verbrachten wir an der Haiti Deaf Academy. In diesem Kinderheim wurden viele Kinder bereits mit Hörgeräten versorgt, doch es war dringend notwendig, die Einstellungen zu überprüfen, die Geräte zu reinigen und zu warten.Es waren auch einige neue Kinder da. Ein junges Mädchen hat an diesem Tag das erste Mal in ihrem Leben ihre eigene und auch andere Stimmen gehört. Ihren glücklichen Gesichtsausdruck und die Tränen in ihren Augen werde ich nie vergessen.
Für mich ist und war es eine Ehre bei dieser Reise dabei gewesen zu sein. Vielen Dank an die Hear the World Foundation.